Passgenau für Mann und Frau

Gendermedizin

Ein Mann hält die Symbole für die Geschlechter in der Hand Ein Mann hält die Symbole für die Geschlechter in der Hand
Datum:
19. August 2024
Lesezeit:
3 min

Frauen haben eine höhere Lebenserwartung als Männer. Dafür leiden sie häufiger an Depressionen oder Autoimmunerkrankungen: Beispiele dafür, wie sich die Geschlechter in medizinischer Hinsicht unterscheiden. Mit diesen Unterschieden befasst sich die gendersensible Medizin.

Die geschlechtersensible Medizin (kurz: Gendermedizin) befasst sich mit allen Aspekten des Mann und Frauseins, die durch unterschiedliche biologische Voraussetzungen begründet sind.

Lebensrettende Forschung: Beispiel Herz

Ein wichtiger Bereich, in dem dieser Ansatz Leben retten kann, sind  Herzerkrankungen. Bei Frauen sind die Symptome für einen Herzinfarkt weniger eindeutig als bei Männern, dadurch werden sie häufig nicht als solche erkannt. Anzeichen wie Übelkeit, Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit oder Erschöpfung können unterschiedlichste Ursachen haben – mit der fatalen Folge, dass sie nicht als Warnsignale angesehen und Frauen häufig zu spät behandelt werden.

In den Neunzigerjahren war genau dies der Auslöser für die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Medizin. Bis dahin waren medizinische Studien – außer natürlich für gynäkologische oder spezielle „Frauenkrankheiten“ – hauptsächlich an Männern durchgeführt worden, was auch zu den falschen Einschätzungen beim Herzinfarkt von Frauen geführt hatte. Ihre Symptome wurden von Ärzt*innen teilweise heruntergespielt oder sogar als „hysterisch“ abgetan.

Auch das Immunsystem tickt anders

Von Autoimmunerkrankungen, wie etwa rheumatoider Arthritis, sind Frauen sehr viel häufiger betroffen als Männer – die Kehrseite ihres besser funktionierenden Immunsystems. Dieses schützt sie dafür effektiver bei Viruserkrankungen. Nach neueren Forschungen liegt dieser bessere Schutz von Frauen auch an den doppelt vorhandenen X-Chromosomen, auf denen wichtige Informationen für das Immunsystem liegen.

Mehr Nebenwirkungen bei Frauen

Gleiche Medikamente können bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich wirken. So leiden Frauen häufiger an Nebenwirkungen – eine Folge der häufig unzureichenden Studienlage bei Medikamenten. Frauen sind durchschnittlich leichter und kleiner als Männer, außerdem leert sich der Magen bei ihnen langsamer. Er nimmt die Wirkstoffe also länger auf, wodurch sich die Gesamtdosis eines Medikaments erhöht. Auch hormonelle Schwankungen können die Wirkung von Arzneimitteln beeinflussen.

Ein Medikament, das auf Männer und Frauen völlig unterschiedlich wirkt, ist zum Beispiel Aspirin: Bei Männern hilft es außer gegen Schmerzen vorbeugend gegen Herzinfarkt, bei Frauen fehlt diese zusätzliche Wirkung.

Geschlecht hat Einfluss auf die Diagnose

Auch die Diagnose von Krankheiten hat mit festgeschriebenen Geschlechterrollen zu tun. Das könnte erklären, warum eine Depression bei zwei- bis dreimal so vielen Frauen wie Männern diagnostiziert wird. Angehörige des „starken Geschlechts“ spielen ihre Symptome häufig herunter und werden auch von Ärzt*innen anders wahrgenommen. Im Vergleich zu Frauen wird bei ihnen insgesamt seltener eine psychosomatische Diagnose gestellt, dafür werden sie häufiger organisch untersucht.

Gendersensibilität im Koalitionsvertrag

Um gegen solche Schwächen in der medizinischen Versorgung anzugehen und das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu schärfen, ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ein Ausbau der Gendermedizin vorgesehen: Sie soll Teil des Medizinstudiums und der Ausbildungen der Gesundheitsberufe werden. Ein Vorhaben, von dem Männer und Frauen gleichermaßen profitieren.

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