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Seelische
Signale
Psychische Belastungen sind für viele Menschen Teil ihres ganz normalen Lebens.
Doch wann wird aus einer Belastung eine Erkrankung? Wie entsteht sie, und wo setzt eine Behandlung an? Darüber haben wir mit den „Seelen-Docs“ Prof. Dr. Thomas Fydrich, Dipl.-Psychologin Janina Rogoll und Prof. Dr. med. Andreas Ströhle gesprochen.
Sind psychische Probleme „normal“?
 »Ja, sie gehören zum Leben dazu. Wir alle sind manch- mal niedergeschlagen, haben Selbstzweifel oder Angst. Jeder zweite Mensch erleidet jedoch mindestens einmal im Leben eine psychische Störung – eine Erkrankung, die genau wie auf körperlicher Ebene einen milden oder schweren Verlauf nehmen kann. In Deutschland haben rund zehn Prozent der Bevölkerung eine psychische Erkrankung, die behandelt werden muss. Zu den häufigsten gehören Angst- und Suchterkrankungen sowie Depressionen.
  Was sind die Ursachen?
»Es gibt – mit wenigen Ausnahmen – keine einfachen Ursachen für psychische Erkrankungen, weil sich menschliches Verhalten über Jahre hinweg aus einer sehr komplexen Wechselwirkung verschiedener Einflüsse entwickelt. Dazu gehören ererbte und später erworbene Faktoren wie etwa körperliche Stärke oder Beeinträchti- gungen und Einflüsse der Mitmenschen, besonders aus dem Familien- und Freundeskreis. Auch die Rahmenbe- dingungen, unter denen wir aufwachsen, sind prägend, und selbst vorgeburtliche Entwicklungsbedingungen spielen eine Rolle: War die Mutter im Laufe ihrer Schwangerschaft oft gestresst, wurde die Geburt auch als bedrohlich empfunden? All diese Einflüsse prägen unsere Persönlichkeit und unser eigenes Erleben der Realität.
Was sind die größten Krankmacher?
»Wir Menschen sind soziale Wesen, brauchen die Ge- meinschaft mit anderen und haben das Bedürfnis nach Nähe, Zugehörigkeit und Aufwertung. Der größte Krank- macher sind deshalb zermürbende oder gar toxische Beziehungen mit ihren extremen emotionalen Hochs und Tiefs, mit Nähe und Kälte, aber auch ständigen Schuld- zuweisungen. Auf Platz zwei steht die Einsamkeit. Das Gefühl, allein zu sein, wird auf Dauer für die meisten zur extremen Belastung. Aber auch Ungerechtigkeit, Armut und Gewalt können ebenso wie chronische körperliche Erkrankungen oder Bewegungsmangel an der Entstehung von psychischen Erkrankungen ganz wesentlich beteiligt sein.
            Stoßen nun Stress und belastende Ereignisse bei uns auf eine genetisch begründete Empfänglichkeit, können sie Auslöser für den Beginn oder das Andauern einer psychischen Erkrankung sein.
Wo setzt eine Behandlung an?
»Sehr wichtig ist die Frage, was die Krankheit „am Leben“ hält. Die Antwort liegt immer im betroffenen Menschen selbst, und um sie zusammen mit ihm her-





















































































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